Am 1.April (welch Ironie) erhielt die Bundestagsfraktion der Grünen eine Antwort auf ihre Anfrage an die Bundesregierung bezüglich der Einkommens- und Vermögensanrechnung in der Eingliederungshilfe. Eine ausführliche Stellungnahme habe ich hier bereits geschrieben. Einen zusammenfassenden Kommentar von mir kann man hier finden.
Das die Reaktionen von Initiativen, Verbänden und Betroffenen harsch ausfallen würden, war zu erwarten. Auch wenn man immer daran denken muss, dass selbstverständlich ein Ministerium die aktuelle Rechtslage nie von sich aus in Frage stellen würde und damit zumindest Grundsätzlich die Antwort der Bundesregierung nicht überraschend ausfiel. Überraschender war allerdings die Tonlage und die Art und Weise, wie die aktuelle Rechtslage verteidigt wurde.
Jedenfalls interessierte mich, wie denn die Reaktion der behindertenpolitischen SprecherInnen und der Behindertenbeauftragen ausfallen würde und schrieb jene daher an. Die Antworten und Reaktionen möchte ich hier aufführen:
Kerstin Tack – Beauftragte für Menschen mit Behinderungen SPD
Zu einer Anfrage von Frau Zolle antwortete Frau Tack auf Facebook:
Liebe Frau Zolle, ich mache meine Aussagen, die Bundesregierung, der ich nicht angehöre, macht Ihre Aussagen.
Auf ihrer Webseite ist ein Artikel, datiert vom 04.April, zu finden, in dem es u.A. heißt:
Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen sollen zukünftig personenzentriert sowie einkommens- und vermögensunabhängig gestaltet und das Wunsch- und Wahlrecht gewahrt werden
Update 26.04.14: Frau Tack hat mir gestern noch auf meine E-Mail geantwortet. Auch darin wird sehr deutlich, dass die Meinung des Ministeriums nicht jene der Entscheidungsträger sein muss oder ist:
Lieber Herr Grosch,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Einschätzung zur Antwort der Bundesregierung “Armut durch Eingliederungshilfe”.Auch ich denke, dass die Aussagen des Ministeriums in einigen Teilen diskussionswürdig sind, insofern gibt es unterschiedliche Einschätzungen des Ministeriums und der Fraktion.
Wir als Fraktion definieren gerade unsere politischen Erwartungen an ein Teilhabegesetz und werden diese dann in Abstimmung mit dem Koalitionspartner zu gegebener Zeit an das Ministerium herantragen.
Corinna Rüffer – Beauftragte für Menschen mit Behinderungen B90/Die Grünen
Als Fragenstellerin hat Frau Rüffer auf ihrer Webseite eine eigene Stellungnahme veröffentlicht. Im Übrigen ist sie, wie auch die anderen behindertenpolitischen SprecherInnen der Bundestagsfraktionen, für eine möglichst baldige Abschaffung der Vermögens- und Einkommensanrechnung und Schaffung eines eigenen Teilhaberechts. Das ihre Worte mehr Nachdruck beweisen, mag mit der Rolle zu tun haben, in der sie steckt: Opposition.
Katrin Werner – Beauftragte für Menschen mit Behinderungen Die LINKE
Zu Frau Werner findet sich leider keine direkte Stellungnahme auf die Anfrage. Aber auch sie hat, wie die übrigen behindertenpolitischen SprecherInnen vor einigen Tagen im Bundestag zu diesem Thema gesprochen. Dabei sagt sie u.A. auch:
Das SGB IX, sagen Wissenschaftler, steht zu 80 % nur auf dem Papier. Auch in diesem Gesetz ist der Behinderungsbegriff zu ändern. Es geht auch um den arbeitnehmerähnlichen Status und ein Recht auf bedarfsgerechte Assistenz in allen Lebensphasen und Lebenslagen – und zwar unabhängig von Einkommen und Vermögen.
Zudem hat die Bundestagsfraktion der Linken zu einer Fachtagung am 19. Mai eingeladen, bei dem ein Antragsentwurf für ein Bundesteilhabegesetz vorgestellt und diskutiert werden soll.
Uwe Schummer – Beauftragter für Menschen mit Behinderungen CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Grosch,
vielen Dank für Ihre E-Mail bezüglich der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zum Thema „Armut durch Eingliederungshilfe“. Ich habe Ihre Stellungnahme mit großem Interesse gelesen.
Die Antworten der Bundesregierung sind streckenweise sehr technokratisch formuliert und beschreiben vor allem die aktuelle Perspektive, die das BMAS auf das Thema Einkommens- und Vermögensanrechnung derzeit einnimmt. Sie unterscheidet sich damit deutlich von dem, was CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Auch wenn dieses Thema darin nicht explizit benannt ist, so haben wir verabredet, die Teilhabeleistungen aus dem SGB XII herauszulösen. Damit einhergehend muss auch die Anrechnung der Leistungen neu bewertet werden. Ob die Einkommens- und Vermögensgrenzen gänzlich aufgehoben oder deutlich ausgeweitet werden, wird aktuell von den Fachpolitikern in der Koalition – und möglicherweise auch im Ministerium – diskutiert.
Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre kritischen Anmerkungen, die in meinen Diskussionsprozess einfließen werden.
Es grüßt herzlich
Hier wird deutlich, dass eben die Antwort der Bundesregierung die Sichtweise des Ministeriums ist und klar von den parlamentarischen Willensbekundungen und Bestrebungen zu trennen sind. Es ist völlig natürlich, dass das Ministerium die aktuelle Regelung verteidigt, die es als Exekutive auch umzusetzen hat. Änderungen sind ausschließlich der Legislativen und damit dem Parlament vorbehalten.
Verena Bentele – Behindertenbeauftragte
Sehr geehrter Herr Grosch,
vielen Dank für Ihre E-Mail an die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Frau Verena Bentele. Sie hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Das Verfahren für die Beantwortung Großer und Kleiner Anfragen unterliegt den Regelungen der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien. Die Beauftragten der Bundesregierung sind danach zu beteiligen. Es ist daher nicht opportun, wenn die Beauftragte sich außerhalb dieses Verfahrens Antworten der Bundesregierung kommentiert.
Die Position von Frau Bentele können Sie einer Pressemitteilung entnehmen, die Sie unter dem nachfolgenden Link finden.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Jetzt, wenige Tage nach der Veröffentlichung der Antwort der Bundesregierung, fordert Frau Bentele laut Aussage der rheinischen Post allerdings die Abschaffung der Vermögensanrechnung. Warum sie allerdings nur die Abschaffung der Vermögensanrechnung und nicht auch der Einkommensanrechnung fordert ist fraglich. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
Ein Ende des Sparverbotes für Behinderte hat die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, gefordert. “Die Regelung ist familien- und partnerschaftsfeindlich und gehört deshalb abgeschafft”, sagte sie der in Düsseldorf erscheinenden “Rheinischen Post” (Dienstagausgabe). Derzeit dürfen Menschen mit Behinderung und hohem Assistenzbedarf höchstens 2600 Euro auf ihrem Konto haben. “Sie können keine Rücklagen bilden, nicht für ein Auto, einen Urlaub, eine Wohnung oder für die Ausbildung ihrer Kinder sparen”, kritisierte Bentele. Ihnen werde auch die Motivation genommen, mehr zu verdienen. Weil auch das Einkommen des Partner angerechnet werde, wirke die Vorschrift abschreckend auf die Bildung von Familien und Partnerschaften. Bentele verlangte eine Gesetzesnovelle, um den Menschen mit Behinderung mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen. “Sie müssen raus aus der Sozialhilfe und rein in ein Teilhabesystem, in dem sie ein eigenes Budget haben und selbst entscheiden können, von wem sie welche Art von Unterstützung brauchen, um selbstständig leben zu können”, betonte Bentele.
Sonstige Reaktionen
Ich möchte noch auf einen offenen Brief des FORSEA e.V. an Frau Nahles hinweisen, in dem auf die Diskrepanz zwischen dem politischen Willen und der scheinbar nach außen auftretenden Lethargie des Sozialministeriums bei diesem Thema hingewiesen wird.