Letzte Woche verbrachte ich einen wundervollen Urlaub auf Kreta: Tolles Wetter, eindrucksvolle, historische Stätten und leckeres Essen. Richtig entspannen konnte ich aber erst, als ich wieder zu Hause war. Es nicht so, als sei ich der einzige Urlauber, dem das so ginge, aber mit Sicherheit sind bei mir und vielen anderen Menschen mit Behinderungen die Gründe andere.
Die meisten Menschen machen sich wohl Sorgen um Dinge wie: „Wurde nichts vergessen einzupacken?“, „Habe ich die Tür abgeschlossen und alle Lichter ausgemacht?“, „Hoffentlich geht das Gepäck nicht verloren.“ und „Mist, ich habe gar keine Kleidung für schlechtes Wetter eingepackt!“
Für Rollstuhlfahrer sind das keine wirklichen Sorgen. Uns drängen sich ganz andere auf. Wir müssen uns auf die Aussagen von Airlines, Hoteliers und Transferunternehmen verlassen. Im ‚worst case‘ kommt der Rollstuhl am Flughafen fahruntüchtig an, das Transferunternehmen hat nicht mit einem, Zitat, „so großen Rollstuhl gerechnet“ und das Hotel hatte noch nie einen behinderten Gast, der es nicht wenigstens noch mit ein paar Schritten ins Bad geschafft hat. Und nein, dass ist nicht ausgedacht, das habe ich alles schon genauso erlebt.
Stell dir vor es ist Urlaub und du …
Stellen Sie sich das mal ganz bewusst vor: Da kommen Sie in einem fremden Land an und der Rollstuhl, den sie unbedingt benötigen, ist defekt. Sanitätshäuser an jeder Ecke wie in Deutschland gibt es, bis auf sehr wenige Ausnahmen, in keinem anderen Land der Welt, ganz zu schweigen von den Problemen bei der späteren Kostenabwicklung. Aber selbst wenn Sie dieses Problem irgendwie gelöst haben, stehen Sie auf irgendeinem Provinzflughafen, 30km entfernt von ihrem Hotel, und finden kein Fahrzeug, welches Sie und den Rollstuhl transportieren könnte. Sollten Sie auch diese Hürde gemeistert haben, erblicken Sie direkt am Hoteleingang sogleich eine Treppe in den Haupteingang oder die Zimmertür ist so schmal, dass Sie gar nicht hindurch kommen. DAS ist Urlaub. Und all diese Gedanken haben Sie vor dem Urlaub und was die Transportfragen angeht auch während des Urlaubs. Haben Sie Pech, so war der wohlverdiente Urlaub herrlich und relaxend, Sie kommen in Deutschland am Flughafen an, wollen nur noch nach Hause und stellen fest, dass der Rollstuhl gar nicht in den Flieger geladen wurde, wie es zuletzt Laura Gehlhaar passierte.
Es ist offiziell: Die @airBaltic hat meinen Rollstuhl verloren!! Meine #Riga -Reise ist somit im Arsch. Die Bundespolizei ist eingeschaltet.
— Laura Gehlhaar (@LauraGehlhaar) August 22, 2014
Davon wollte ich aber gar nicht erzählen. Ich will über Kommunikation schreiben.
Die meisten Flughäfen dieser Welt haben spezielle Hubwagen, die Menschen mit Behinderungen zum Flugzeug bringen. Oft kann man so im eigenen Rollstuhl bis zum Einstieg gebracht werden. Im Hubwagen wird man dann normalerweise von, mal mehr mal weniger, geschultem Personal in einen speziellen Bordrollstuhl umgesetzt. Abgesehen davon, dass es absolut inakzeptabel ist, dass Flugzeughersteller, allen voran Airbus und Boeing, es im Jahre 2014 immer noch nicht geschafft haben, zumindest einen speziellen Behindertenplatz und eine barrierefreie Toilette für ihre Langstreckenflieger zu konzipieren (*), ist Kommunikation für diesen Prozess extrem wichtig. Es gibt so viele verschiedene Behinderungen mit ebenso vielen verschiedenen Bedürfnissen und Herangehensweisen, dass selbst spezialisierte Ärzte schnell den Überblick verlieren. Deswegen muss ich den meist netten Helfern am Flughafen auch mitteilen können, welche Hilfe ich wie benötige. Es macht nämlich schon einen großen Unterschied, ob ich querschnittsgelähmt bin, die Glasknochenkrankheit oder Muskelschwäche habe. Und genau da liegt das Problem: In Chania, dem zweiten großen Flughafen neben Heraklion, konnte keiner der zuständigen Mitarbeiter auch nur ein Wort Englisch.
Der imaginäre Idealbehinderte
Leider ist das nicht eine unglückliche Ausnahme, sondern ein symptomatisches Problem. Viele Hilfen, Angebote und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen, auch hier in Deutschland, werden konzipiert, ohne mit den Betroffenen selber zu sprechen oder diese so anpassbar zu gestalten, dass sie mit ein wenig Kommunikation den Anforderungen entsprechen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will nicht damit sagen, dass jede Dienstleistung für jeden Kunden individuell bis ins Detail anpassbar sein muss. Aber es hilft eben weder mir als Kunden, noch den Anbietern, wenn ich ihren Dienst nicht nutzen kann, nur weil man nicht vorher in mehrere Richtungen gedacht hat. Ich ärgere mich fast täglich über gut gemeinte Hilfen und Angebote, die aber nur für einen imaginären „Idealbehinderten“ eingerichtet wurden. Es ist toll, dass es hier in Bielefeld ein ’so called‘ barrierefreies Taxi gibt. Man hat auch viel Geld in einen elektrischen Lift ins Auto investiert. Dummerweise aber ein etwas zu kleines Auto gewählt, sodass trotz Hublift nur kleine, manuelle Rollstühle reinpassen. Das ist schade und ärgerlich, weil ich gerne diesem Unternehmer eine Berechtigung für seine Investition gegeben hätte und das es sich eben doch lohnt, sich auf kleine Zielgruppen zu spezialisieren. Aber so ist mir das leider nicht möglich. Das sind nur zwei Beispiele, bei denen man mit vorherigem Nachfragen oder kleinen Änderung für mich als Betroffenen einiges einfacher machen würde und sich selbst viel Stress spart und womöglich ganz neue Zielgruppen für sich gewinnt.
* Immerhin werden heute sogar schon Bars, private Suiten und Duschen in Großraumfliegern wie dem A380 eingebaut.
Ein interessanter Bericht, der mich zum nachdenken gebracht hat. Seit dem ich wieder öfter fliege habe ich mich eigentlich gefreut, dass Menschen mit Behinderung eine scheinbar bessere Behandlung erhalten, als es noch vor 10-12 Jahren der Fall war. Zum Beispiel priorisiertes Boarding, priorisiertes Verlassen des Fliegers, etc. Die von Dir angesprochenen Probleme mit fehlenden sitzen und nicht hinreichend ausgestatteten Bordtoiletten habe ich dabei gar nicht bedacht – aber es wird schlagartig augenfällig, wenn man darüber nachdenkt.
Mitunter habe ich auf Flüghäfen im Ausland das Gefühl, das Menschen mit Behinderung dort mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, als dies in Deutschland der Fall ist. Das ist wohlgemerkt aber nur ein subjektiver Eindruck. Speziell in Madrid und einigen größeren südamerikanischen Flughäfen sind „gefühlt“ deutlich mehr Angestellte unterwegs, die sich um die Betreuung von z.B. Rollstuhlfahrern kümmern.
Auf Grund meines Alters kann ich nicht wirklich beurteilen, wie das vor 10, 20 Jahren war. Das Problem ist auch weniger mangelnde Aufmerksamkeit. Viel mehr ist die Sicht der Unternehmen auf Menschen mit Behinderungen das Problem. Es sind eben keine Kunden, sondern Probleme. Probleme, die sie behandeln müssen, weil es dafür internationale, aber unvollständige, Gesetze gibt. Also ja: Wir befördern diese „Probleme“, aber das heißt nicht, dass wir da einen hohen Service anbieten. Ein behinderter Mensch wirft halt keine vernünftige Rendite ab.
Es ist natürlich nicht so, als würden sich nicht (auch in Deutschland) Flughafenbetreiber und Airlines bemühen und irgendwie stärkt das ja auch das „soziale“ Image eines Konzerns. Aber es ist halt immer mehr die Attitüde: „Wir machen es weil wir müssen oder weil wir zeigen wollen, wie sozial wir sind.“
Naja, und wenn es dann tatsächlich mal an Eingemacht geht wie z.B. Kapazitäten im Flieger zu verringern um eine etwas größere Toilette, zumindest auf der Langstrecke, oder Rollstuhlplätze anzubieten, dann wird natürlich aus finanziellen Gründen gekniffen.
Es gäbe vieles, was man dazu noch schreiben könnte. Wie z.B. dass ich auch, anders als bei Bus & Bahn meine Assistenz nicht umsonst mitfliegen lassen kann, was dazu führt, dass ich im Endeffekt immer den doppelten Preis zu zahlen habe.