Am 05.03.2018 berichtete die heimische Deister- und Weserzeitung in einem Artikel über die Pläne der Stadtverwaltung Hameln zu Schaffung von “Komfort-Parkplätzen für Senioren”. Die Idee und Umsetzung ist so falsch, dass ich beschlossen habe, hier aufzuführen, warum:

  • Der Sinn: Die Dewezet schreibt, man habe Menschen im Blick, die aufgrund ihres Alters nun mehr Platz beim Einparken und Ein-/Aussteigen aus den Fahrzeugen benötigen. Natürlich ist es richtig Parkplätze so zu gestalten, dass auch bei geringerer Beweglichkeit einer Person ein sicheres Ein- und Aussteigen gewährleistet werden kann. Das jemand aber sein Fahrzeug nicht mehr vernünftig unter Kontrolle hat und daher zum Einparken mehr Platz braucht, darf kein Argument sein. Sollen wir danach auch Straßen verbreitern oder Kurvenradien ändern, damit auch der oder die Betagteste noch sein Fahrzeug auf Asphalt ans Ziel bringt? Nein, natürlich nicht! Wer sein Fahrzeug selbst nicht mehr so präzise steuern kann, wie es verlangt wird, hat ein Straßenverkehrsfahrzeug nicht mehr zu steuern.
  • Es verwundert generell, warum man auf diese Forderung von Behindertenverbänden nun im Zuge von Seniorenparkplätzen eingegangen wird. Seit Jahren fordern behinderte Menschen immer wieder, die Behindertenparkplätze nach amerikanischen Vorbild zu erbauen (s. Fotos). Denn wer eine Hebebühne / Rampe im Auto hat, der benötigt immer entweder links, rechts oder hinter dem Auto quasi doppelt so viel Platz. In Hameln gibt es aber nicht einen einzigen Parkplatz, der dies berücksichtigt. Nur durch Zufall sind diese manchmal so gelegen, dass eine Rampe herausgelassen werden kann. Es verblüfft mich daher sehr, dass nun das Argument der Bewegungseinschränkung bei Senioren zu einer geänderten Praxis führt, nicht aber die mindestens genauso relevanten Bedürfnisse von Menschen mit Rollstühlen.
  • Aber vielleicht erklärt der Name, wie es eben zu diesem Sinneswandel kam. Die Dewezet – und ich vermute sie hat dies von der Stadtverwaltung übernommen – spricht von Komfortverbesserung. Wenn aber tatsächlich Menschen auf diese Ausgestaltung von Parkplätzen angewiesen sind, dann geht es nicht um “Komfort”. Dann geht es auch nicht um eine Gefälligkeit, die man mal gewährt und manchmal auch nicht. Sondern dann handelt es sich um ein berechtigtes Anliegen, was überhaupt erst die Mobilität von bestimmten Personen sicherstellt. Es ist genau dieser linguistische Duktus, der mich seit Jahren auf die Palme bringt, wenn beispielsweise existenzielle Forderungen von Betroffenen als Wünsche verniedlicht werden. Das gleiche passiert hier: Der Gesellschaft wird beigebracht, dass es nur um einen Komfortgewinn für einige wenige Betroffene geht. Etwas also, was man nicht wirklich ernst nehmen braucht.
  • Wer genau sind aber die Betroffenen? Das Piktogramm / Schild zeigt ein Seniorenpaar. Gleichzeitig wird aber von Menschen mit Bewegungseinschränkungen gesprochen. Hier ist völlig unklar, wer denn nun gemeint ist. Es wird der alte Stereotyp bedient, es gäbe ja nur alte Menschen mit Bewegungseinschränkungen. Da sind Streitereien vorprogrammiert: Darf nun eine junge Person mit verstauchtem Bein dort halten? Ist es nicht auch gerechtfertigt, wenn die schwangere Frau dort parkt? Ein Rollstuhlfahrer? Eltern mit Kinderwagen? Kurzum: So gut wie jeder wird ein Argument finden, dort halten zu dürfen.

  • Laut Ideengeber ist das aber auch so gewollt. Es wird keine Kontrolle stattfinden (wie auch?), sondern die Schilder sind als Appell an die Bevölkerung gedacht. Abgesehen davon, dass ich aus meiner Erfahrung berichten kann, dass selbst dann Leute unberechtigt alles zuparken, wenn dafür ein Bußgeld fällig würde, ist es auch das falsche Signal. Es scheint einfach nur eine nette Bitte an die Mitbürger zu sein, ein bisschen Rücksicht zu üben. Das ist natürlich konguent mit der Bezeichnung des Komfortparkplatzes (s.o.). Diejenigen, die aber wirklich darauf angewiesen sind, können sich nicht darauf verlassen. Und verständlich ist es wirklich, dass man zwar bei einem Seniorenparkplatz als Unberechtigter parken darf, auf einem Behindertenparkplatz nicht? Wer versteht überhaupt den Unterschied, wenn er nicht gerade die Debatte oder den Beschluss verfolgt hat?

Dabei ist die ganze Idee grundlos: Wer tatsächlich in seiner Bewegung über ein gewöhnliches Maß hinaus eingeschränkt ist, der kann einen Behindertenausweis mit dem Merkzeichen aG (außergewöhnlich gehbehindert) beantragen. Dieser berechtigt wiederum zum Erhalt eines Behindertenparkausweises, mit dem nicht nur auf Behindertenparkplätzen geparkt werden darf, sondern auch in eingeschränkten Halteverboten oder auf Anwohnerparkplätzen. Im Gegensatz zu der hier vorgeschlagenen Idee können Behindertenparkplätze aber kontrolliert und tatsächlich für bedürftige Personen frei gehalten werden. Ein Umgestalten von bereits vorhandenen Behindertenparkplätzen oder Schaffung von Weiteren mit mehr Fläche, wie dies von der Stadtverwaltung vorgeschlagen wird, ist sehr zu begrüßen und würde dann auch Menschen mit Behinderungen zu Gute kommen.
Zum Schluss: Laut Artikel der Dewezet ist dies eine Idee des Arbeitskreises “Parkraumkonzeption Innenstadt” indem zwar Vertreter des Einzelhandels, des Tourismus, der Stadtverwaltung, sowie der Stadtwerke angehören, nicht aber der vorhandene Seniorenbeirat oder der nicht-vorhandene (SHAME!!) Behindertenbeirat. Es trifft also mal wieder alles zusammen: Leute die keine Ahnung von der Materie haben stellten Ideen für Leute auf, die sie nicht fragen, verharmlosen dabei wahre Bedürfnisse und führen die Umsetzung so aus, dass sie keinen wirklichen Effekt haben wird.

PS an die Dewezet: Es gibt nicht “die Behinderten”. Danke!

Update: Ich werde gerade darauf aufmerksam gemacht, dass man auch schon mit Merkzeichen G (erheblicher Geh- und/oder Stehbehinderung), welches einfacher zu bekommen ist als das Merkzeichen aG, berechtigt ist, einen orangefarbenen Parkausweis zu beantragen. Mit diesem sind folgende Erleichterungen verbunden (Quelle):

Er berechtigt:

im eingeschränkten Halteverbot und auf Anwohnerparkplätzen bis zu 3 Stunden zu parken. Die Ankunftszeit ist durch eine Parkscheibe kenntlich zu machen.
im Zonenhalteverbot oder in Parkbereichen, wo Parkzeitbegrenzungen bestehen, die zugelassene Parkdauer zu überschreiten.
in Fußgängerzonen während der Ladezeit zu parken.
in verkehrsberuhigten Bereichen auch außerhalb der gekennzeichneten Flächen zu parken, sofern der durchgehende Verkehr nicht behindert wird.
an Parkuhren und Parkscheinautomaten ohne Gebühr und zeitlich unbegrenzt zu parken.

Hier könnte die Stadt weitere Parkflächen auszeichnen, gerne auch so breit wie geplant und alle hätten was davon: Senioren können den orangefarbenen Ausweis beantragen und darauf parken; Menschen mit Behinderungen ebenso; die Parkplätze sind kontrollierbar; es gibt bereits Schilder, Bezeichnungen und Regeln.

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