Schönheitswettbewerbe, die interessanterweise nur mediale Aufmerksamkeit bekommen, wenn es sich um die Exponate um Frauen handelt, sind Blödsinn. Und weil das so ist, machen wir das jetzt extra für Rollstuhlfahrerinnen.
Das dachte man sich jedenfalls bei der ‚Only One Foundation‚ aus Polen. Unter dem Slogan „Beauty is in everyone of us!“ (sic) wurde also die Schönheit von ausgewählten Rollstuhlfahrerinnen aus 19 Ländern bewertet und in eine Rangfolge gebracht. Ja, Schönheit steckt in jedem von uns, aber in einigen wohl mehr und in anderen weniger. Aber das haben ja nun einmal alle Schönheitswettbewerbe an sich. Was macht also diese Veranstaltung so „besonders“?
Ziel sei es, so die Jury Vorsitzende Katarzyna Wojtaszek-Ginalska, „das Bild von Frauen in Rollstühlen zu verändern, damit sie nicht nur auf diese Eigenschaft reduziert werden“. Aha! Löblich, könnte man meinen. Denn in der Tat werden gerade Frauen mit Behinderungen im Alltag allzu oft zu geschlechtslosen Objekten reduziert, frei von jeder Sexualität, Anziehung oder Subjektivität, wie Laura Gehlhaar beispielsweise in ihrem Buch anschaulich schildert. Aber selbst wenn dann mal Kontakte entstehen, wird die Behinderung als Markel empfunden, der irgendwie behoben werden muss, störend ist, jedenfalls die Schönheit verdrängt oder gar verdirbt.
Statt also nun dafür einzutreten, dass z.B. Frauen mit sichtbaren Behinderungen an regulären Schönheitswettbewerben teilnehmen können und das Faktum des Im-Rollstuhl-Sitzens nicht automatisch zu einer Art Disqualifizierung der „objektivierbaren Schönheit“ führt, wird munter ein separierter Zirkus eröffnet. Nicht das Frau-sein steht im Mittelpunkt, sondern die einzige Eigenschaft die wirklich alle Teilnehmerinnen verbindet: das im Rollstuhl sitzen. Offensichtlich darf erst gar nicht der Eindruck erweckt werden, Frauen mit einer Behinderung könnten sich mit Frauen ohne Behinderung messen – so dämlich diese Idee von sich aus ja schon ist. Eine Liberalisierung ist das nicht, ganz im Gegenteil, die Gewinnerin ist nun die schönste Rollstuhlfahrerin und nicht die schönste Frau. Sie wird auf das reduziert, was man vorgab unbeachtet zu lassen.
Der Spiegel zitiert dabei die Organisation folgendermaßen: ‚Jede Rollstuhlfahrerin habe das Recht, „diejenige zu sein, die sie sein will und sich schön zu fühlen“, teilte die Stiftung mit.‘
Ja, sehr lustig. Und weil man die Gefühle der Protagonistinnen so schätzt, stellt man selbige auf die Probe. Übrigens: Warum sollen nur Rollstuhlfahrerinnen das Recht haben, sich gut zu fühlen, so wie Mann/Frau ist?
Inklusion hat das Ziel, Normen, Erwartungen und Standards der Mehrheitsgesellschaft zu überwinden und stattdessen Bedürfnisse, Leistungsfähigkeit und weitere Merkmale am Individuum festzumachen. Ziel muss konsequenterweise also das Durchbrechen von Schönheitsidealen der Mehrheitsgesellschaft sein. Hier wird sich also gegen die eine Norm (Behinderte weiblichen Geschlechts werden nicht als Frauen wahrgenommen) durch die Manifestation einer anderen (Schönheitsideal) gewehrt. Damit wird keine Inklusion geschaffen, sondern eine weitere Segregation vorangetrieben: Hier schöne Frauen, da schöne Rollstuhlfahrerinnen und draußen Frauen die das Schönheitsideal nicht erfüllen.
Das es auch anders geht, zeigt beispielsweise der Italienische Fotograf Olivier Fermariello. Er bricht bewusst mit angeblichen Normen von Schönheit und Sexualität ohne dabei neue Abgrenzungen zu schaffen.
Titelfoto: Olivier Fermariello – Je t’aime moi aussi